„Grau ist im Leben alle Theorie. Ernst is‘ auf‘m Platz.“ Man muss kein eingefleischter Fußballfan sein, um diesem Satz schon einmal begegnet zu sein. Eine Lebenseinsicht klingt an in diesem Bonmot. Ein Erfahrungswissen findet Sprache mit dem Zeug zu einer Lebensweisheit: „Grau ist im Leben alle Theorie. Ernst is‘ auf‘m Platz.“- Wer könnte, wer wollte da widersprechen?
„Grau ist im Leben alle Theorie …“ Übertragen auf die Botschaft des Evangeliums kann man sagen: Das allein theoretische Nachdenken darüber, was die Liebe wohl ist und was das Wort „Liebe“ meinen könnte, ist grau und am Ende auch fad und langweilig. Die Praxis der Liebe hingegen macht das Leben bunt und reizvoll und schön. Ich wage zu behaupten: Die Praxis der Liebe bewahrt dem Leben die ihm von Gott her zugedachte Buntheit, seinen Reiz und seine Schönheit.
Der Evangelist Johannes gibt seinen Leser:innen eine Anschauung von dieser Überzeugung. Johannes ist davon überzeugt, dass die Liebe Gottes konkret geworden ist und immer wieder neu konkret werden will. Sein ganzes Evangelium kreist um diesen einen Gedanken.
„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ lesen wir ganz am Anfang und dieses Wort wird den Menschen immer wieder neu zu einer Anrede! „Maria!“, spricht der auferstandene Christus am Ende des Evangeliums die junge Frau an, die ihren Meister im Tode verloren wähnt. Doch selbst im Angesicht des Todes wird die Liebe zu einer in die Zukunft weisenden Erfahrung.
Ein Wort, eine Lebenseinstellung, eine Lebenshaltung, eine Lebenskraft hat Gestalt, hat Fleisch angenommen. Die Liebe will konkret werden und sie wird konkret, und überall wo sie konkret wird, nährt sie das Leben und lässt sie Freude wachsen.
„Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus. „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“
Das Brot muss verzehrt werden, um stärken zu können. – Das Brot als Symbol für die Liebe, will verzehrt werden, will angeeignet werden. Wie wir im Vollzug des Essens uns eine Speise einverleiben, so will die Liebe sich in uns einverleiben. Das Wort wird Fleisch … es geht im Glauben nicht zuerst um die Annahme der Lehre. Es geht um die Wirksamkeit der Liebe. Es geht um Liebe als einer Haltung dem Leben gegenüber.
Von hier aus erschließt sich uns vielleicht auch der tiefere Sinn der Gebetsworte Jesu. „Unser tägliches Brot gib uns heute …“ – die Bitte aus dem Vaterunser geht weit über den täglichen Bedarf an Lebensmitteln hinaus. Die Bitte um das tägliche Brot bewahrt uns die Erinnerung daran, dass wir selber von den täglichen Konkretionen der Liebe leben. Worte des Trostes und des Zuspruchs, Gemeinschaft bei Tisch, ein Besuch am Krankenbett oder in der Gefängniszelle. In der Konkretion der Liebe ereignet sich Teilhabe an der Lebenswirklichkeit, die mit Jesus in die Welt gekommen ist: die Liebesmacht Gottes, die uns Menschen zur Erfahrung werden will und die auch im Tode nicht zerbricht.
In diesen Tagen feiern wir Ostern. Diesem Fest geht die Konfliktgeschichte voraus, die mit den Konkretionen der Liebe verbunden ist. Es ist die Konfliktgeschichte, die mit dem Leben, Leiden und Sterben des Juden Jesus von Nazareth verbunden ist. Ostern kündet von der bleibenden Kraft der Liebe, die selbst im Tode neues Leben schenkt. Die Osterbotschaft, Gottes Wort und seine Konkretion in Brot und in Wein schenken uns und stärken in uns eine Liebe zum Leben, die auch den Tod nicht zu fürchten braucht.
Und wenn wir sie an uns und in uns selber erfahren, wenn wir Begegnungen der Liebe aus unserem Leben erinnern, dann sind wir gefragt auch eingeladen, mit ihr verbunden zu bleiben und sie unsererseits konkret werden zu lassen – nicht nur im Dienst der Diakonie, sondern überall im Alltag dieser Welt.
Ostererfahrungen sind farbenfroh, einladend bunt und erfreulich schön. „Grau ist im Leben alle Theorie. Ernst is‘ auf‘m Platz.“